Schwierige Entscheidungslage zur Umsetzung der Grundsteuerreform in der Gemeinde Weilerswist

Veröffentlicht am 3. Dezember 2024 um 19:28

Am 10. April 2018 erklärte das Bundesverfassungsgericht das bisherige Modell der Grundsteuer für verfassungswidrig. Der Grund: die überalterte Bewertung von Grundstücken. In der Folge reagierten Bund und Länder mit neuen gesetzlichen Regelungen, die das Land NRW weitgehend übernahm und an die Kommunen zur Umsetzung weitergab. Auch die Gemeinde Weilerswist musste auf diese Reform reagieren und im Gemeinderat über neue Hebesätze entscheiden.

Neuer Bewertungsansatz: Grundsteuerwert ersetzt Einheitswert

Der bisherige Einheitswert wurde durch den Grundsteuerwert ersetzt. Dieser wurde im Rahmen einer Hauptfeststellung zum Stichtag 1. Januar 2022 für alle Grundstücke neu ermittelt. Grundstückseigentümer waren verpflichtet, Angaben wie die Lage des Grundstücks, Wohnfläche, Bodenrichtwert und das Baujahr des Gebäudes in einer Feststellungserklärung an das Finanzamt zu melden.

Das Finanzamt berechnete daraus den Grundsteuerwert und den Grundsteuermessbetrag, der auf einer gesetzlich festgelegten Steuermesszahl basiert. Die Kommune nutzt diese Werte, um die endgültige Grundsteuer zu berechnen. Hierzu wird der Grundsteuermessbetrag mit dem kommunalen Hebesatz multipliziert.

Gerechtere Besteuerung durch realitätsnähere Bewertung

  • Marktwertorientierung
    Der neue Grundsteuerwert spiegelt besser den tatsächlichen Wert eines Grundstücks wider. Während der alte Einheitswert teils weit von den aktuellen Marktentwicklungen entfernt war, ist der neue Wert dynamischer und berücksichtigt moderne Bewertungsfaktoren. So ist es beispielsweise wahrscheinlicher, dass ein Grundstück in einem angespannten städtischen Gebiet einen höheren Wert hat als ein Grundstück in einer ländlichen Region, was in der Steuerlast auch besser zum Ausdruck kommt.
  • Vermeidung von Verzerrungen
    Mit dem alten Einheitswertsystem wurden in vielen Fällen Grundstücke mit sehr unterschiedlichen Marktwerten zu ungleichen Steuerlasten herangezogen. Ein Grundstück, das aufgrund der allgemeinen Marktentwicklung stark an Wert gewonnen hatte, konnte unter dem alten System noch immer zu einem niedrigen Einheitswert besteuert werden. Die Reform beseitigt solche Verzerrungen und stellt sicher, dass die Grundsteuer realistischer und gerechter berechnet wird.

Anpassung der Hebesätze bis 2025 zwingend notwendig

Mit der Grundsteuerreform ist der Gemeinderat Weilerswist gesetzlich verpflichtet, bis spätestens zum 1. Januar 2025 neue Hebesätze festzulegen. Die bisherigen Hebesätze dürfen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr angewendet werden. Diese Anpassung ist notwendig, da die Gemeinde weiterhin Einnahmen aus der Grundsteuer benötigt, um ihre Investitionen und laufenden Kosten zu finanzieren.

Die Herausforderung besteht darin, die Hebesätze so zu gestalten, dass das Steueraufkommen aufkommensneutral bleibt. Das bedeutet, dass die Gesamteinnahmen aus der Grundsteuer im Vergleich zur bisherigen Regelung weder steigen noch sinken sollen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass ein Vergleich der absoluten Hebesatzzahlen mit den Vorjahren keinen direkten Rückschluss auf eine Steuererhöhung zulässt. Die Berechnungsformel für die Grundsteuer hat sich durch die Einführung des neuen Grundsteuerwerts geändert. Die Hebesatzzahl ist nur einer von mehreren Faktoren, die die endgültige Höhe der Grundsteuer beeinflussen.

Als Grundlage für die Entscheidung diente die Gesamtliste der aufkommensneutralen Hebesätze des Landes NRW, das im September 2024 Empfehlungen für Hebesätze veröffentlichte. Diese basieren auf den neuen Bewertungsgrundlagen und sollen die angestrebte Aufkommensneutralität unterstützen.

Diskussion: Differenzierte vs. Einheitliche Hebesätze

Ein im Sommer 2024 verabschiedetes Gesetz des Landtags NRW ermöglicht es den Kommunen, bei der Grundsteuer B zwischen zwei Modellen zu wählen:

  • Differenzierte Hebesätze: Hierbei gelten unterschiedliche Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke. In Weilerswist würden diese bei 660 Punkten (Wohngrundstücke) und 990 Punkten (Nichtwohngrundstücke) liegen.
  • Einheitlicher Hebesatz: Ein Hebesatz von 730 Punkten für alle Grundstücksarten.

Beide Modelle gewährleisten rechnerisch die angestrebte Aufkommensneutralität. Der Unterschied liegt in der Verteilung der Steuerlast zwischen Wohn- und Nichtwohngrundstücken.

Juristische Unsicherheiten bei differenzierten Hebesätzen

Obwohl das Land NRW die Verfassungsmäßigkeit differenzierter Hebesätze betont, bestehen auf kommunaler Ebene erhebliche juristische Bedenken. Es wird befürchtet, dass Gewerbetreibende, die durch die höheren Hebesätze für Nichtwohngrundstücke belastet werden, Klage einreichen könnten.

Mögliche Folgen eines Klageerfolgs:

  • Einnahmeverluste: Ein erfolgreicher Klageprozess würde die Haushaltsplanung der Gemeinde erheblich beeinträchtigen.
  • Steuererhöhungen in den Folgejahren: Um die Einnahmeverluste auszugleichen, könnten größere Steuererhöhungen notwendig werden, die letztlich alle Bürger betreffen.

Um diese Risiken zu vermeiden, wird sich die CDU Fraktion nach intensiven Diskussionen für den einheitlichen Hebesatz von 730 Punkten entscheiden. Dieses Modell minimiert das Risiko von Klagen und schafft eine verlässlichere Grundlage für die Finanzplanung.

Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger

Die Auswirkungen der Grundsteuerreform auf die einzelnen Bürger hängen von mehreren Faktoren ab:

  • Der Höhe des Grundsteuermessbetrags, der durch das Finanzamt berechnet wurde.
  • Der Neubewertung der Grundstücke, insbesondere durch die geänderten Bodenrichtwerte.
  • Dem neu festgelegten Hebesatz.

Ein Vergleich der absoluten Hebesatzzahl mit den Vorjahren ist aufgrund der geänderten Berechnungsgrundlage irreführend. Während der Hebesatz von 610 auf 730 Punkte steigt, bedeutet dies nicht automatisch eine höhere Steuerbelastung. Vielmehr entstehen folgende Szenarien:

  • Erhöhungen: Einige Bürger werden durch die Reform mehr zahlen.
  • Senkungen: Andere Bürger könnten entlastet werden.
  • Keine Veränderung: Einige Steuerzahler dürften eine unveränderte Belastung erleben.

Die CDU Weilerswist geht davon aus, dass ab 2025 eine gemischte Wirkung der Reform erkennbar sein wird und nur wenige Grundstückseigentümer eine unveränderte Belastung erleben dürfen.

Grundsteuer A und C

Auch für die Grundsteuer A, die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft betrifft, wurde eine aufkommensneutrale Regelung beschlossen. Die Gemeinde orientierte sich hierbei an den Empfehlungen der Gesamtliste der aufkommensneutralen Hebesätze des Landes NRW. Die aktuellen Berechnungen des Kämmerers der Gemeinde ergeben mit dem Stand heute eine Erhöhung, wobei genaue Berechnungsergebnisse hierzu derzeit noch nicht abschließend vorliegen.

Die Einführung einer Grundsteuer C, die unbebaute Grundstücke höher besteuern würde, soll in Weilerswist nicht beschlossen werden. Die Gemeinde sah aktuell keine Notwendigkeit, dieses Instrument zur Förderung des Baulückenschlusses einzusetzen.

Gewerbesteuer

Die Gewerbesteuer in der Gemeinde Weilerswist bleibt laut dem Kämmerer mit einem Hebesatz von 530 Punkten unverändert, was eine erfreuliche Entscheidung für die ansässigen Gewerbebetriebe darstellt. Diese Konstanz in der Steuerhöhe sorgt für Planungssicherheit und Stabilität, was insbesondere für Unternehmen von großem Vorteil ist. Die Beibehaltung des Hebesatzes bedeutet, dass die Gewerbebetriebe nicht mit einer Steuererhöhung rechnen müssen, was ihre finanzielle Belastung in einem wirtschaftlich herausfordernden Umfeld verringert. Diese Maßnahme fördert nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, sondern stärkt auch den Wirtschaftsstandort Weilerswist insgesamt.

Entscheidung über die Hebesätze

Die Entscheidung über die neuen Hebesätze soll voraussichtlich in der Ratssitzung am 19. Dezember 2024 getroffen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt werden alle relevanten Faktoren weiterhin geprüft, um die optimale Lösung für die Gemeinde Weilerswist zu finden. Die CDU Weilerswist geht davon aus, dass die bereits durch den Kämmerer genannten Zahlen auch so in der Ratssitzung präsentiert werden.

Fazit

Die CDU ist überzeugt, mit der Entscheidung für einen einheitlichen Hebesatz. Dieser Ansatz sichert die Haushaltsstabilität der Gemeinde Weilerswist, minimiert juristische Risiken und sorgt für eine faire Grundlage für alle Bürger. Gleichzeitig wird gewährleistet, dass Investitionen der Gemeinde weiterhin durch eine solide Steuerbasis gedeckt werden können. Langfristig bleibt die jährliche Überprüfung der Hebesätze eine wichtige Aufgabe, um auf zukünftige Entwicklungen angemessen zu reagieren.

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Kommentare

Marko
Vor 22 Tage

Das Versprechen der Gemeinde war keine versteckte Steuererhöhung. Ich kann nicht glauben dass mit diesem Hebesatz die Gesamteinnahmen der Gemeinde gleich bleiben werden.
In meinem Fall hat sich die Steuermesszahl verdreifacht. Mit diesem Hebesatz von 730 Punkten zahle ich 355% des bisherigen Betrags!
Gibt es so viele Bürger die trotz erhöhtem Hebesatz steuerlich entlastet werden um die Summe gleich zu halten?